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BLITZ BRIEFING:

BEWERTUNG DER ERGEBNISSE DES KOALITIONSAUSSCHUSSES

Leitungs- und Planungsstab des Fraktionsvorsitzenden, 04.09.2022

I. Kurzeinschätzung
Die Ampel-Regierung hat den Sommer verbummelt. Nach monatelangem Streit und 18 Stunden Verhandlungen liegt ein mehrseitiges Papier vor, das an entscheidenden Stellen vage und unkonkret bleibt. Die zentrale Frage der Kapazitätsausweitungen bei der Stromproduktion bleibt vollkommen unbeantwortet. Die Bundesregierung trifft keine Entscheidung zum Weiterbetrieb der Kernkraftwerke, keine Entscheidung zum Stopp der Gasumlage und keine Klarheit bei der Dämpfung der Energiekosten. Beim Strompreis wird weder die Höhe noch der Zeitpunkt der Entlastung genannt. Eine Nachfolgeregelung zum 9-Euro-Ticket wird nicht entschieden. Wie sich die angeblichen 65 Mrd. Euro zusammensetzen, bleibt vollkommen intransparent. Das Dokument ist mehr ein Aufgabenheft für die Bundesregierung denn ein wirksames Entlastungsprogramm für Bürger und Wirtschaft.

II. Inhalte des Beschlusses des Koalitionsausschusses
Die Ampel hat sich im Koalitionsausschuss auf einen Kompromiss aus verschiedenen Maßnahmen geeinigt. Dieses setzt sich aus Energiemarktmaßnahmen, Entlastungen für Bürgerinnen und Bürger sowie Unterstützungen für Unternehmen zusammen. Insgesamt steht laut Koalition ein Entlastungsvolumen von 65 Mrd. Euro im Raum, das grob zur Hälfte aus dem Bundeshaushalt finanziert werden soll.
Die Maßnahmen für Bürgerinnen und Bürger sollen umfassen:
- einer einmaligen Energiepreispauschale für Rentner in Höhe von 300 Euro und 200 Euro für Studierende,
- einem Heizkostenzuschuss II für Wohngeldempfänger in Höhe von 415 Euro (Einpersonenhaushalt bzw. 540 Euro (Zweipersonenhaushalt) plus 100 Euro je weitere Person,
- Einführung eines Bürgergeldes statt Arbeitslosengeld II und Sozialgeld in Höhe von 500 Euro (auf Basis aktueller Inflationserwartungen),
- Anhebung der Midi-Job-Grenze auf 2.000 Euro ab 1. Januar 2023,
- Anpassung der Tarifeckwerte im Einkommenssteuertarif zur Vermeidung der sog. kalten Progression, d.h. Steuererhöhungen durch inflationsbedingte Lohnsteigerungen,
- Erhöhung des Kindergeldes zum 1. Januar 2023 um 18 Euro im Monat und erhöhter Kinderzuschlag auf monatlich 250 Euro,
- Steuer- und Abgabenfreiheit für Sonderzahlungen der Arbeitgeber zur Abmilderung von Inflationslasten bis 3.000 Euro und
- Weiteren (steuerlichen) Entlastungen (wie vollständige Absetzbarkeit von Rentenbeiträgen).
Die Unternehmenshilfen sollen sich vor allem zusammensetzen aus:
- Verlängerten und verbesserten KfW-Programmen; insb. soll ein erweitertes Programm für energieintensive Unternehmen aufgelegt, das Sonderprogramm für Haftungsfreistellungen und das Energiekostendämpfungsprogramm verbessert und die Unternehmen bei Investitionen in Effizienz- und Substitutionsmaßnahmen unterstützt werden,
- Der sog. Spitzenausgleich bei den Strom- und Energiesteuern für energieintensive Unternehmen soll um ein Jahr verlängert werden,
- Die Sonderregelungen für das Kurzarbeitergeld sollen über den 30. September 2022 hinaus verlängert werden, und
- Der ermäßigte Umsatzsteuersatz von 7 Prozent in der Gastronomie soll verlängert werden.
Als Nachfolger für das 9 Euro-Ticket ist ein sog. Deutschland-Ticket, d.h. ein bundesweites Ticket im Öffentlichen Nahverkehr in einer Preisrange von 49 bis 69 Euro im Gespräch. Der Bund will hierfür 1,5 Mrd. Euro zur Verfügung stellen.

III. Bewertung der Ergebnisse des Koalitionsausschusses
Die „Energie-Angebotsseite“ fehlt völlig. Die Koalition hat sich wieder nicht zu einer Verlängerung der Laufzeiten für die drei noch am Netz befindlichen Kernkraftwerke durchringen können. Das Papier enthält weder ein Bekenntnis zur stärkeren Nutzung von Biogas noch zum wieder erforderlichen Hochfahren bereits abgeschalteter Kohlekraftwerke. Ohne eine Steigerung der Energie-Angebotsseite werden die Preise spürbar hoch bleiben.

In Punkto Entlastungen enthält das Paket der Ampel-Regierung einige seit langem von uns geforderte notwendige Maßnahmen. So folgt die Koalition endlich unserer Forderung, die Energiepauschale Rentnern und Studierenden zugutekommen zu lassen. Auch die von uns geforderte Anpassung im Einkommensteuertarif zur Vermeidung inflationsbedingter Steuererhöhungen (sog. kalte Progression) ist im Paket enthalten. Ebenfalls wird unsere Forderung nach einer Verlängerung der Absenkung der Umsatzsteuer für Speisen in der Gastronomie auf 7 Prozent aufgegriffen. Während die Ampel-Regierung endlich einigen unserer Forderungen nachkommt (Energiepauschale auch für Rentner und Studierende, Ausgleich der kalten Progression, Absenkung der Umsatzsteuer in der Gastronomie), werden andere zentrale Entscheidungen vertagt oder nicht getroffen. Aus ideologischen Gründen wird die Laufzeit der Kernkraftwerke nicht verlängert. Änderungen im Strommarkt-Design werden erst einmal auf die europäische Ebene abgeschoben.

Keine Entscheidungen beim Gas, auch keine Einsparanreize. Das drängendste Thema für private Haushalte und Unternehmen sind die astronomisch hohen Gaspreise. Hier gibt es seitens der Ampel keinerlei Lösung. Unseren Vorschlag eines Basis-Bürgertarifs beim Gas greift die Koalition nicht auf, sondern delegiert lediglich einen Prüfauftrag an eine erst noch einzuberufende Expertenkommission. Hier sind keine zeitnahen Entlastungen zu erwarten. Unsere Vorschläge für Bürger-Energiespargutscheinen, die wirksame Anreize zum dringend nötigen Sparen setzen, oder für finanzielle Anreize im Rahmen des Industrieauktionsprogramms werden nicht umgesetzt.

Zentrale Bestandteile des Pakets bleiben in ihrer Umsetzung vage oder werden doppelt verkauft. Die angekündigte Strompreisbremse wird frühestens in mehreren Monaten zu einer Entlastung führen. Bei der Reform des Strommarkt-Designs verweist die Koalition auf laufende Prozesse in der Europäischen Kommission. Wie Kommissionspräsidentin von der Leyen erst bei der Klausurtagung des geschäftsführenden Fraktionsvorstands in Murnau unterstrich, wird diese Reform einige Zeit in Anspruch nehmen. Fraglich ist auch, wie bei der Energiepreispauschale Rentner mit berufsständischen Versorgungswerken oder Versorgungsempfänger der Länder erreicht werden sollen und wie eine bürokratiearme Versteuerung und eine Vermeidung von Doppelzahlungen sichergestellt werden können. Im Übrigen verkauft. Bei zentralen Maßnahmen (u. a. bundesweites Ticket im Nahverkehr, Änderungen im Strommarkt-Design) wirft der Beschluss des Koalitionsausschusses mehr Fragen als Antworten auf. Die Maßnahmen sind mit den Ländern, die nicht nur beim Deutschland-Ticket, sondern auch bei vielen der steuerlichen Maßnahmen einen erheblichen finanziellen Beitrag leisten müssten, nicht abgestimmt. In Punkto Deutschland-Ticket vergisst die Ampel-Regierung erneut den ländlichen Raum. Im Übrigen verkauft die Koalition diverse Maßnahmen doppelt. So wurden die vollständige Absetzbarkeit von Rentenbeiträgen, die Senkung der Umsatzsteuer auf Gas, die Abschaffung der EEG-Umlage und die Wohngeldreform längst verkündet.


Kleine und mittlere Unternehmen gehen kurzfristig leer aus. Die Ampel verweist die Unternehmen in erster Linie auf bestehende, verbesserte KfW-Programme plus ein erweitertes Programm für energieintensive Unternehmen. Der Bundeskanzler erfüllt sein im Wahlkampf gegebenes Versprechen – und von uns immer wieder erhobene Forderung – nach einem Industriestrompreis von 4 ct/kWh nicht. Wie und wann eine Entlastung der Unternehmen über die angekündigte Strompreisbremse erfolgt, ist unklar. Dass die Ampel beim Beginn der globalen Mindestbesteuerung national einseitig voranprescht, wird die Wettbewerbsfähigkeit in dieser für die Wirtschaft herausfordernden Phase zusätzlich schwächen.

Der Kompromiss der Ampel kann nur als ungenau, unkoordiniert und ungenügend bezeichnet werden. Die politischen Notwendigkeiten, gegen
Energiepreisexplosion und Inflation ausreichend Maßnahmen zu ergreifen, werden nicht erfüllt. Wir sehen deutlichen Nachbesserungsbedarf bei den Entlastungen für Bürger und Mittelstand.


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Ansprechpartnerin: Dr. Andrea Gebauer, andrea.gebauer@cducsu.de